»Cult Of Less« ist das Thema mit dem sich eine Schulklasse einer Grundschule bei Gießen beschäftigt. Die Schüler haben mir dazu Fragen gestellt. Diese habe ich beantwortet, aber erst noch ein paar Worte zu mir:

Ich sehe mich nicht als extremen Minimalisten. Die Grenzen sind immer fließend. Einige Menschen sagen, dass ich wenig besitze. Aber das sagen sie nur weil ich weniger besitze als sie selbst. Aus der perspektive eines Flüchtlings lebe ich in Luxus und Überfluss.

Man kann nicht genau sagen wer minimalistisch Lebt und wer nicht. Es hängt immer von der Lebenssituation, dem Umfeld und von den Finanzen ab. Aber ich beschäftige mich gerne und oft mit dem Thema und mit der Frage was ein Mensch benötigt und was nicht. Ich unterhalte mich gerne darüber und es beeinflusst die Art wie ich lebe und arbeite.


Die Fragen der Schülerinnen und Schüler


Wie alt bist du?

So alt wie Kelly Sutton ;)

Welchen Beruf hast du?

Programmierer / Designer

Magst du deine Arbeit?

Oh ja! Sehr!

Ich würde sie aber ungerne zu oft machen müssen. Die meisten Menschen, die ich kenne arbeiten fünf oder sechs Tage in der Woche in einem einzigen Job. Das wäre mir zu viel und auch nicht abwechslungsreich genug. Ich habe auch Angst, dass ich, wenn ich zu oft und zu lange an einer Sache arbeite, den Spaß daran verliere. Aber dadurch, dass ich nicht so viel Geld haben will (oder brauche) wie die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen, brauche ich auch nicht fünf Tage lang in ein und demselben Job arbeiten.

Seit wann lebst du so?

Ich bin mir nicht mehr sicher, aber es muss noch vor 2012 angefangen haben. Hier ist ein Foto von mir und meinem Besitz im Sommer 2012:

Auf dem Bild fehlt meine Matratze und mein Lattenrost. Zu dieser Zeit befand ich mich in der Ausbildung. Heute besitze ich ein bisschen mehr als das.

Wie bist du darauf gekommen?

Ganz ehrlich? Ich hatte kein Bock mehr mein Zimmer aufzuräumen. Ich mag Ordnung. Aber ich hasse aufräumen. Also gab es zwei Möglichkeiten das zu ändern:

1: Viel Zeit damit verbringen aufzuräumen
oder
2: Ganz viele Dinge loswerden, damit es garnicht mehr unordentlich werden kann

Ich habe mich für 2 entschieden. Aber das war natürlich nur der Anfang. Wärend dessen sind mir so viele Gedanken zu diesem Thema gekommen, dass ich heute viel mehr Gründe sehe, warum man so leben sollte.

Als ich angefangen habe die ersten Kisten zu packen, da kannte ich den Namen »Kelly Sutton« oder den Begriff »Cult Of Less« noch nicht. Habe aber relativ kurz danach davon gehört. Es ist also Zufall, dass sich das zur selben Zeit abgespielt hat.

Was hat dich am „Cult of less“ so interessiert?

Mich interesiert herauszufinden was ich brauche, und was nicht. Mir war das vorher nicht bewusst. Seit dem ich es weiß, fühlt sich mein Leben einfacher an. Ich glaube, die meisten Menschen besitzen wesentlich mehr als sie brauchen. Zumindest in reichen Ländern wie Deutschland. Manchmal merkt man das garnicht mehr so richtig, wenn man sich nicht ab und zu darauf konzentriert.

Ich weiß heute sehr genau was ich besitze und was ich brauche. Das ist ein schönes Gefühl.

Wieso hast du dich dafür entschieden?

Ein wichtiger Grund warum mir Minimalismus wichtig ist: Ich will ganz viel Zeit haben. Also Zeit in der ich selbst entscheiden kann was ich mache und was nicht. Vielleicht entscheide ich mich dazu mich mit einem Freund zu treffen. . Vielleicht arbeite ich auch in der Zeit. Aber es ist meine eigene Entscheidung. Das ist mir wichtig.

Wenn ich weniger Geld ausgebe, muss ich auch nicht so viel Arbeiten. Ich muss mich nur damit zufrieden geben, dass andere ein größeres Auto fahren, und schon kann ich z.B. super viel Zeit mit meinen Freunden verbringen, wenn ich das will.

Und was auch noch super viel Zeit in anspruch nimmt, ist Aufräumen, Besitz pflegen, Besitz reparieren wenn er mal kaputt geht, Besitz verkaufen wenn man ihn nicht mehr haben will usw. Das ist ein Aufwand an den man oft garnicht denkt, wenn man sich was neues »gönnt«. Das kann man sich alles ersparen, indem man garnicht erst shoppen geht.

Hast du ein Auto?

Ja. Leider. Das war schöner für mich, als ich noch in der Stadt gewohnt habe, in der ich auch gearbeitet habe. Da konnte ich noch mit Fahrrad, Bus und Bahn überall hin, oder mir ein Auto leihen. Das geht allerdings im Moment nicht mehr.

Wo hast du deine „überflüssigen Sachen“ hingegeben?

Manches habe ich auf eBay Verkauft, vieles habe ich an Freunde verschenkt. Manches in die Altkleider-Sammlung gegeben. Einiges musste ich leider wegschmeissen. Es war teilweise viel Aufwand die Dinge loszuwerden. Und es war mir lästig. Umso mehr denke ich heute vor jedem Kauf an diese lästige Aufgabe.

Wenn ich heute noch viel abzugeben hätte, würde ich es vermutlich nach Gießen zum Erstaufnahmelager für Flüchlinge bringen.

Wie wohnst du? Hast du ein Haus oder ein Zimmer?

Im Moment habe ich keine eigene Wohnung und schlafe bei Freunden oder Familie, sofern es die nicht stört. Die meisten freuen sich sehr darüber. Heute schlafe ich bei meiner Schwester.

Dass ich im Moment keine feste Wohnung habe, ist nur eine Ausnahme. Ich bin auf der Suche, habe die passende Wohnung aber noch nicht gefunden. Aber ohne Minimalismus wäre meine Situation viel Komplizierter.

Welche Art von Dingen magst du noch und was findest du richtig wertvoll von den Sachen, die du noch besitzt?

Ich liebe meinen Schreibtisch. Ich habe die Holzplatte von meinem Opa geerbt und ich habe lange gearbeitet um ihn zu meinem Schreibtisch umzubauen. Jetzt passt er perfekt zu mir. Das macht ihn für mich sehr wertvoll. Nicht so wie mein Smartphone, meine Kamera oder mein Auto. Die sind Teuer. Aber ich kann sie neu Kaufen, wenn ich sie nicht mehr Reperieren kann. Das ist zwar sehr teuer und blöd, aber mein Schreibtisch, der ist unersetzbar. Den gibt es nur ein mal auf der Welt. Genauso wie Briefe von Freunden, manche Dateien auf meinem Computer oder meine vollgemalten Zeichenbücher.

Willst du den Menschen etwas mit dieser Lebensform zeigen?

Ich spreche gerne mit anderen Leuten über das Thema, wenn sie sich dafür interessieren. Wenn nicht, dann nicht. Und manche Leute haben durch Geschpräche mit mir auch ihre Einstellung geändert. Aber das passiert eher nebenbei und ist nicht mein Ziel.

Ich weiss, dass diese Art zu leben viele positive Effekte hat. Wie z.B. das weniger umweltschädlicher Elektro-Schrott produziert wird. Aber ich lebe so, weil ich mich gut damit fühle und freue mich wenn andere sich davon inspirieren lassen.

Fandest du es am Anfang leicht so zu leben?

Ja. Ich fand es befreiend. Und ich finde es immernoch befreiend. Es ist am Anfang oft schwer gewesen mich von bestimmten Dingen zu trennen. Aber ich habe immer wieder gemerkt, dass es die richtige Entscheidung war.

Fühlst du dich so besser?

Absolut!

Es ist nicht immer schön sich von Dingen zu trennen oder Dinge nicht zu kaufen, auf die man gerade Lust hat. Aber das ist, wie bei einem Sport-Wettkampf: Manchmal muss es auch mal ein bisschen wehtun, um am Ende etwas zu haben, worauf man stolz ist.

Hast du manchmal das Gefühl, dass du zu wenig hast?

Klar. Es ist ja nicht so, dass ich gar nichts mehr kaufen würde. Gerade denke ich mir, dass es blöd ist, dass ich keine professionelle Video-Kamera habe, wo ich doch so gerne schöne Videos mache.

Bisher habe ich mir dafür eine Video-Kamera einer Freundin geliehen. Aber sie braucht ihre Kamera auch oft selbst für ihre Arbeit. Aber wenn ich mir eine eigene Kaufe, dann verkaufe ich dafür meine Photo-Kamera. Dann habe ich ein Gerät was beides kann :)

Ist das für dich ein bisschen einsam?

Nein. Einsam fühle ich mich, wenn ich zu wenig Menschen um mich habe. Ich wende den Minimalismus aber nicht auf Menschen an.

Wird über dich „gelässtert“?

Über diese Frage habe ich lange gegrübelt um zu verstehen, wie man darauf kommt. Warum sollte jemand schlecht über mich reden? Vielleicht weil Er/Sie denkt, ich bin nicht sehr reich. Aber mit wenig Besitz zu leben hat ja nichts mit Arm sein zu tun. Man sieht mir meinen Minimalismus auch nicht an. Nur Menschen, die viel mit mir zu tun haben, könnten bemerken, dass ich keine große Auswahl an Hosen oder Tshirts habe. Aber wen soll das stören?

Zu meiner Schulzeit wäre das vielleicht schwieriger gewesen. Da gab es sicherlich Leute die gelästert hätten. Aber mit denen habe zum Glück nichts mehr zu tun.

Vermisst du Dinge, die du früher mal besessen hast?

Wieder eine Frage über die ich etwas länger nachdenken musste.
Nein. Mir fällt nichts ein.

Hast du viele Freunde? Wie finden deine Freunde, dass du so lebst?

Ob ich viele Freunde habe, kann ich nicht beantworten. Wie viel ist »viele Freunde«, und wie viel ist »wenig Freunde«? Eigentlich ist mir das auch völlig egal. Was ich sagen kann ist, dass ich sehr, sehr gute Freunde habe, auf die ich mich verlassen kann. Das ist mir wichtig.

Manche Freunde finden es ganz toll, wie ich Lebe und sind sogar manchmal Neidisch, weil ich so viel Zeit habe. Aber ich habe auch andere Freunde, die sich dafür garnicht interessieren und denen es egal ist. Das ist auch okay. Blöd findet es keiner.

Meinst du, dass du immer so leben möchtest? Oder kannst du dir vorstellen, deinen Lebenstil auch wieder zu veränderrn?

Spätestens wenn ich eine Familie gründe, muss ich wohl mehr Dinge besitzen. Aber ich denke, ich werde immer versuchen mit möglichst wenig auszukommen und darauf zu achten was ich kaufe.

Hast du Freunde, die genauso leben?

Ja. Manche mehr, manche weniger. Aber abgesehen von meinen engen Freunden habe ich mittlerweile auch Kontakt zu einigen Minimalistinnen und Minimalisten, die so wie ich, oder noch viel extremer leben. Viele von Ihnen kenne ich, weil sie auf Twitter oder in Blogs über ihr Leben Schreiben.

In größeren Städten gibt zum Beispiel regelmäßige Minimalismus-Treffen. Da trifft man sich z.B. ein paar Stunden in einem Cafe um sich kennen zu lernen und über seine Erfahrungen auszutauschen. Es ist sehr spannend, weil dort sehr sehr unterschiedliche Menschen zusammenkommen. Diese Treffen werden im Moment immer häufiger und haben immer mehr Besucher.

Der extremste Minimalist, den ich bisher kennengelernt habe, wohnt bei Frankfurt in einem Tipi im Wald. Das ganze Jahr über. Auch im Winter. Das wäre nichts für mich, aber es ist sehr interessant ihn zu besuchen und sich mit ihm zu unterhalten.


Das war’s mit den Fragen der Schüler. Ich fand interessant zu sehen welche Fragen gestellt wurden. Und ich habe mir das Thema nie so richtig aus dieser Perspektive überlegt. Aus einer Welt in welcher der meiste Besitz noch von den Eltern gekauft wird und es so eine unglaublich große Bedeutung hat, wie man sich auf dem Schulhof zeigt. Hach bin ich froh, dass ich die Schule hinter mir habe ;)