Früher waren der private Raum und der öffentliche Raum klar voneinander getrennt – durch physikalische Räumlichkeit.

D.h. draussen, ausserhalb der eigenen vier Wände war ich in der Öffentlichkeit. Sobald ich aber zuhause die Haustür hinter mir zuschloss, konnte ich mich benehmen wie ich wollte und nicht nur denken sondern auch aussprechen wonach mir gerade war.

Manchmal habe ich gute Freunde in meinen privaten Raum eingeladen, wenn ich das Gefühl hatte ich kann ihnen vertrauen. Wenn ich keinen Grund hatte anzunehmen, dass sie die Informationen, die sie über mich erfahren irgendwann mal dazu missbrauchen mir zu schaden. Und mit privatem Raum meine ich hier nicht nur die physikalischen Räume sondern auch das Zusammensein, das Miteinanderleben, das Daneben-Benehmen, das Entschuldigen, das Ernst sein und das Albern sein.

Dass man Privatsphäre hat, ist unheimlich wichtig für die Entwicklung der eigenen Identität. Aber...

Der private Raum vermischt sich mit dem öffentlichen Raum.

Ich kommuniziere mit anderen Menschen via Internet. Ich ersteigere und bestelle Dinge online. Die Ein- und Ausgänge meines Kontos fließen durchs Netz, auch wenn ich nie Online-Banking gemacht hätte, denn auch meine Bank kommuniziert über das Internet. Die magentafarbene Firma presst die Stimme meiner Mutter jetzt nicht mehr über das olle Kupferkabel, sondern wandelt die Schwingungen in Einsen und Nullen um um sie geschmeidig durch das neue Glasphaser fließen zu lassen.

Ich hole an dieser Stelle so weit aus, weil ich immer noch Menschen höre, die behaupten sie machen ja garnicht viel im Internet und seien deshalb nicht so betroffen von Überwachung. Das ist aus vielen Gründen falsch. Aber vor allem werden hier Begriffe vermischt. Was sie meinen ist das Web – also das was im Browser passiert. Aber das Web ist nur ein Bruchteil von dem, was im Netz der Netze los ist. Wenn ich hier über das Internet schreibe, handelt es sich dabei nicht um ein Entertainment-Angebot – es handelt sich um unsere Infrastruktur.
Zurück zum Thema...

Das Internet wird oft als der öffentliche Raum wahrgenommen. Manchmal auch als privater Raum. Dabei transportiert es doch eigentlich nur Informationen. Es ist passiv. Es lebt nicht.

Privates und öffentliches ist für die Rechner dieser Welt nicht auseinander zu halten. Es sei denn die Gesellschaft beauftragt ihre Programmierer es den Maschienen entsprechend beizubringen.

Ob ein bestimmter Datensatz zukünftig als privat oder öffentlich behandelt wird hängt allein davon ab, wie wir als Gesellschaft es definieren.

Und weil das alles so wenig greifbar ist, ist nun eine Zeit gekommen in der in Politik, Wirtschaft und in unseren Wohnzimmern neu darüber diskutiert wird ob das, was wir bisher ganz klar als privat angesehen haben, auch in Zukunft noch als schützenswert eingestuft werden soll. Eine tolle Gelegenheit für Unternemen ihre Interessen mit Hilfe von Lobbyismus in Gesetze zu gießen.

...oder eben nicht. Je nach dem wie wir uns entscheiden.

  • Wir können sagen »Ich habe nichts zu verbergen« und damit allen anderen Mitmenschen auch das Recht auf eine gesunde Persönlichkeits-Entwicklung absprechen.
  • Wir können eine Partei, die sich nicht wehrt, wenn unsere Demokratie angegriffen wird, demokratisch in’s Europa-Parlament wählen.
  • Oder wir lassen den Quatsch sein und unterstützen diejenigen, die für unsere Zukunft kämpfen.

Um das zu verstehen, braucht man kein Informatik-Studium.
Es liegt an uns.